Lhasa. Tibet. Mystische Begriffe. In Trachten gekleidete Menschen, alte buddhistische Klöster und Tempelanlagen, von Wolken umgebene Berggipfel des höchsten Gebirges der Welt. Und natürlich der immer wieder auftretende Konflikt zwischen Tibetern und Chinesen.
Zu früher Stunde um 8:30 Uhr werden wir von unserem Guide abgeholt. Ausländer dürfen sich in Tibet nicht frei bewegen und müssen rund um die Uhr von einem Guide „betreut“ werden. Dieser Umstand macht die Reise natürlich deutlich teurer und man fühlt sich bevormundet, aber unserer Guide ist in unserem Alter, kann uns eine Menge zum Buddhismus erklären und ist auch für den ein oder anderen Spaß zu haben.
Über den Barkhor Gebetsweg, der mitten durch die Altstadt Lhasa führt, machen wir uns gemeinsam auf den Weg zum Jokhangtempel. Auf dem Platz davor sehen wir morgens viele Gläubige beim Beten, für das sie sich immer wieder auf den Boden werfen und aufstehen. Für die Hände und Knie tragen sie entsprechenden Schutz. Manche Menschen kriechen so auch quer über den Platz und bekommen von Passanten dafür etwas Geld zugesteckt. Ist ja auch ziemlich praktisch, wenn man für sein Wohlergehen nicht selbst beten muss.
Da der Tempel überfüllt ist und ein Einlass erst am Nachmittag wieder möglich ist, gehen wir mit unserem Guide einen typisch tibetischen süßlichen Milchtee trinken. Nach einem ersten Smalltalk, in dem wir feststellen, dass offenbar auch in Tibet die Fußball-WM und der deutsche Erfolg genau verfolgt wurde, wenden wir uns vorsichtig den politischen Themen zu, die in Tibet allgegenwärtig sind.
Der Konflikt zwischen Tibetern und (Han-) Chinesen findet offenbar nicht nur auf höherer Ebene statt, sondern ist auch zwischen den Menschen überall zu sehen. Unser Führer ist auf Chinesen auch gar nicht gut zu sprechen. Seit den 1980er Jahren führt Peking eine Ansiedlungspolitik für Han-Chinesen in Tibet durch, die mit zinslosen Krediten und weiteren Vorteilen lockt. Seitdem siedeln sich immer mehr Chinesen in Tibet und speziell Lhasa an, haben Restaurants, Shops oder Reiseagenturen. Während quasi alle Guides in Tibet wirklich Tibeter sind, werden die meisten Agenturen von Chinesen geführt, die hier für wenig Aufwand gutes Geld verdienen und teilweise noch nicht einmal selbst an den Orten waren, die von ihren Kunden besucht werden. Für die Tibeter ist der Tourismus natürlich auch einträglich, aber am meisten profitieren die Chinesen, so unser Guide. Für einen Tibeter ist es aufgrund der Vorschriften wohl fast unmöglich, überhaupt nur eine Homepage zu erstellen, geschweige denn eine eigene Agentur zu eröffnen.
Tibetern wird außerdem grundsätzlich kein Reisepass ausgestellt, so dass Reisen ins Ausland ausgeschlossen sind. Mit ihrer ID (ähnlich wie der deutsche Personalausweis) können sie zwar China bereisen, aber werden dort mit sehr vielen Vorbehalten behandelt, beispielsweise wird wohl häufig das Zimmer im Hotel verweigert, so dass Tibeter auf die schäbigsten Unterkünfte ausweichen müssen. Hochzeiten zwischen den beiden Völkern werden von beiden Seiten nicht gerne gesehen und die jeweils „falschen“ Ehepartner werden auch im Familien- und Freundeskreis kaum geduldet. In den nächsten drei Tagen werden wir immer wieder Momente der gegenseitigen Feindseligkeit beobachten können.
Mit diesen echt interessanten und gleichzeitig schockierenden Informationen machen wir uns auf den Weg zum Potala Palast, dem Wahrzeichen Lhasas, das auch auf der Rückseite des 50 Yuan Scheins abgebildet ist. Die Tickets wurden uns schon im Voraus besorgt, chinesische Touristen ohne Ticket müssen die Nacht vorher vor den Kassen übernachten, um überhaupt eine Chance auf Eintritt am nächsten Tag zu haben. Aufgrund des hohen Andrangs haben wir nur genau eine Stunde Zeit, so dass wir ziemlich durch den Palast hetzen müssen. An einigen Stationen machen wir kurz Halt und werden von unserem Guide mit etwas Hintergrundwissen zum Buddhismus allgemein, verschiedenen Buddhas und Lamas und der Geschichte Tibets versorgt.
Mit Tuktuks geht es dann zum Mittagessen in ein tibetisches Restaurant zu Yakfleisch und natürlich wieder Milchtee. Am Nachmittag steht die Sera Monastery auf dem Programm. Neben einer Toilette, die sicherlich zu den Top 5 auf der Ekeligkeitsskala eines Jahres in China gehört, sind dort vor allem die debattierenden Mönche das Highlight, die sich jeden Nachmittag zwischen 15 und 17 Uhr im Garten treffen zum gemeinsamen beten, singen, und gegenseitig zum Buddhismus ausfragen. Dieses Spiel artet in einen regelrechten Wettbewerb aus, der laut und lebhaft vor zahlreichen Touristen vorgetragen wird.
Beim Besuch der verschiedensten Tempel- und Klosteranlagen wird uns immer wieder bewusst, wie selbstverständlich im Buddhismus die Verbindung von Materiellem (Geld) und Spirituellem (Glauben) ist. Vor jeder noch so unbedeutenden Statur liegen Unmengen von Geldscheinen, und zwar hauptsächlich die kleinste verfügbare Wahl, der 1 Jiao Schein (gut 2 Eurocent). Größere Banknoten werden einfach an Ort und Stelle klein gemacht, damit man auch an jeder Position eine kleine Gabe für sein Wohl hinterlassen kann. Es kommt ganz offenbar nicht auf die Höhe des Betrags an, sondern auf eine möglichst gute und dichte Verteilung von Opfergaben.
Nachdem wir uns am späten Nachmittag dann tatsächlich noch den Johkangtempel angesehen haben, gehen wir kurzentschlossen mit unserem Guide und seinen Freunden noch ein Bier trinken. Einige seiner Freunde sind ebenfalls als guides tätig oder verdienen ihr Geld an andere Stelle im Tourismus, beispielsweise als Händler von Souvenirs. Mit einem Nachtmahl auf dem muslimischen Markt beenden wir müde, aber glücklich, unseren ersten richtigen Tag in Tibet.
An alle vier bzw. nur noch drei,
ich verfolge mit Freude eure spannende Reise und bin jedesmal gespannt, was ihr erlebt. Die Bilder sind grandios.
Dorette
GROSSEN Dank fuer Euer treffend bebildertes Reiseprotokoll! Gerade Eure juengsten Fotos aus Lhasas Strassen ergänzen und AKTUALISIEREN hoechst eindrucksvoll (und koestlich lebendig!!)was ich bisher ueber Tibet etc. lesen konnte.–VIEL GlUECK WEITERHIN AUF DER REISE wuenscht grossmutter Ursel J.